United And Strong
Up Against The World Tour
Part 1 - 2019

13.04. Berlin - Gorizia (IT)

Es ist ein ganz bestimmtes Gefühl, ein ganz bestimmter Zustand, am späten Nachmittag, seit 5Uhr auf Deutschen, später Österreichischen, Slowenischen und endlich Italienischen Autobahnen fahrend, an einer Raststätte zu stehen. Von 8 Shows war noch keine gespielt, irgendwo zwischen Euphorie und Müdigkeit, die Alpen im Rücken, das Mittelmeer schon fast greifbar. Wir waren als Band noch nie in Italien, hatten solche und solche Geschichten gehört. Nach Gorizia sind es noch 2-3 Stunden. Wir tanken und fahren weiter.

Ankunft in Gorizia, keiner empfängt uns, keiner fühlt sich verantwortlich, keiner spricht mit uns, vier Bands spielen vor uns, die erste beginnt halb 11. Nach der dritten Band gehen die ersten nach Hause. Zu essen gibt es Nudeln mit ungewürzter Tomatensoße. Menschen um uns herum werden betrunkener, wir müder. Fahren und Warten, Touren in Reinform. Vorletzte Band, jeder Gitarrist hatte mindestens sechs Effektpedale auf dem Boden. Wir fangen an und schaffen es jeden zum Abgehen zu motivieren, der noch Laufen kann. Ich schaue auf die Uhr, es ist 2. Halb vier liegen wir im Bett. 24 Stunden wach. Alles hat sich gelohnt. The tour is on.


14.04. Montecchio Maggiore (IT)

Unfassbar kurze Strecken zwischen den Konzerten. Wir haben Zeit für Sightseeing. Zum Beispiel die Burgen, die als Inspiration für „Romeo und Julia“ herhielten. Als allgemein kulturinteressierte Menschen ist das für uns eventuell interessant. Micha ist unfähig seine GoPro zu bedienen, Christian zunehmend deswegen frustriert. Bianca hat aus unerfindlichen Gründen auch schlechte Laune. Unsere Show findet in einem kleinen alternativen Kulturzentrum mit großer Terrasse statt. Man empfängt uns sofort freundlich und wir bauen auf. Wie bei jedem Konzert überall, gibt es auch hier einen beachtlichen Höhenunterschied zwischen Renault Master und Bühne. Wir schleppen wie immer Boxen über Treppen.

Wir starten als erste Band, da wir uns auf dieses Konzert raufgebettelt haben. 18:30 sollen wir anfangen, 18:29 stehen wir auf der Bühne. Es gibt sichtlich Verwirrung, wir sollen das nicht so eng nehmen mit der Zeit. Wir warten ein paar Minuten und fangen an. An irgendeiner stelle spiele ich falsch und es gibt Diskussionen auf der Bühne. Der Rest des Sets läuft gut. Es folgt eine all female 77 Punkband, danach Ska. „Ska, ska, ska ,ska, pick it up!“ Bin mir unsicher, ob solche Aussagen im Jahr 2019 noch legal sind. Letzte Band, Schweizer Indie-Punk. Gleiches Phänomen wie gestern: Kaum noch Leute im Raum für die letzte Band. Christian und ich bilden 66,6% des Publikums. Für uns ein entspannter Abend. Das Hotel befindet sich um die Ecke. Wir teilen uns ein Zimmer so groß wie die Grundfläche des Masters. Wir schlafen glücklich ein. Italien gefällt uns.


15.04. Pula (HR)

350km von Italien über Slowenien nach Kroatien. Mediterrane Autobahnen wecken nostalgische Urlaubsgefühle in uns. Noch einmal mit den Eltern auf der Rückbank im Kadett Richtung Süden. Staubige Raststätten, Jugendreisegruppen, die Autobahntoiletten stürmen, kalte Coladosen und Chips. Zweiter Besuch in Pula. Nur gute Erinnerungen vom letzten Mal. Location war identisch, wir aßen Salat und Pommes im gleichen Restaurant.

Location ist schwer zu beschreiben, ein massiver schulartiger Bau, ehemalige Kadettenschule. Lange dunkle Gänge, ein kultureller Mikrokosmos, eine Art Stadt innerhalb der Stadt. In jedem Raum passierte etwas anderes: Sprachschule, Yogakurse, Harcore-Konzerte. Wir sind etwas zu früh da und beobachten das Treiben. Später essen wir in den Katakomben. 80Er-Jahre Nacktbilder zieren die Wände. Das Essen wird stumm für uns zubereitet, wir essen dankbar. Es schmeckt, wie letztes Mal. Schlafplatz quasi direkt neben der Bühne auf alten Couches. Nachts durch dunkle leere Gänge zum Klo zu finden, spare ich mir und fülle diverse Plastikbecher. Leerung erfolgt am nächsten Morgen.


16.04. Sombor (SRB)

Lange, nicht enden wollende Fahrt. Die ersten 100km noch sehr mediterran, später weisen die Straßenschilder Richtung Belgrad, Zagreb, Sarajevo. Serbische Grenze. Höflich, fast freundlich. „Florian? My colleque‘s name is also Florian!“. Ziel ist Sombor, eine kleine Stadt im Nordosten von Serbien. Sombor war 2015 Teil der desaströsen Ostertour, desaströs deshalb, weil wir alle komplett und fast durchgehend krank waren. Ich habe sehr wenige, noch weniger gute Erinnerungen an die damalige Tour. Alles war immer kalt, das Essen, die Shows, die Betten.

Wir holen Zurke, Zahnarzt, in seiner Praxis ab. Zwei weitere Bands aus Deutschland, Cancer Clan und Desteufels, warten schon vor der Location. Die eine Hälfte reden über Buttonmaschinen und die Frage, ob man sein eigenes Merch tragen dürfe, der Rest trinkt schweigend Bier. Zorke führt uns durch die Stadt, kauft uns vier Sandwiches und im Stechschritt geht es zurück zur Location. Essen ist kalt und zu wenig. Die Location ist eine enge Kneipe, in der die Tische und Stühle kurz rausgeräumt werden. Wir spielen als erste. Während des Soundchecks reden vier Besserwisser auf uns ein, dass wir unbedingt leiser spielen müssen. Blabla. Ich war bereits am unteren Limit. Dementsprechend war die Show. Biancas Kommentar am Ende: „Zum Glück haben wir noch Hassad hinten dran gehangen, so habe ich wenigstens einen Song richtig gespielt.“ Auf dem Platz vor der Kneipe köchelt drei Stunden eine Suppe vor sich hin. Endlich eine warme Mahlzeit. Für den Schlafplatz werden wir aufgeteilt. Ich habe schlechte Laune und provoziere einen Streit. Völlig sinnlos. Bleibt nur zu Hoffen, dass der dritte Sombor-Besuch besser werden wird.


17.04. Szeged (HU)

Szeged. 18.08.2008. Erste UAS-Show im „Osten“. Damals bin ich mit dem Fuß in der Bühne eingebrochen und wir aßen Pizza mit Erbsen. Es hat sich viel geändert. Grenze Serbien-Ungarn entspannt. Grenzerin guckt sich UAS-Videos auf Youtube an während sie unsere Ausweise stempelt. Einen Aufkleber will sie nicht, könnte als Bestechung gewertet werden. Kurze Fahrt. Laufen durch die Stadt. Sonne, viele Touristen, gute Laune. Richtiger Club, aber im Keller. Komplettes Personal ist um die 20 oder jünger. Wir sind die einzige Band. Während wir aufbauen und soundchecken, kommt ein alter Mann rein, trinkt vier Bier und geht 90 Minuten später wieder. Wenig Publikum. Unser Freund Alex Gombos kommt mit seiner Gang. Übernachtung erfolgt im Gästezimmers eines Tonstudios am Stadtrand. Die Putzfrau putzt den ganzen Morgen, das macht Kacken und Duschen mühsam. Beim Abschied lobt sie die Sauberkeit der Deutschen. Die Sonne scheint.


18.04. Timisoara (RO)

Timisoara, Rumänien. Unser erstes Mal. Die Stadt ist schön, nur überall Autos, überall, auf den Straßen und daneben. Voll voll voll. Aike ist mit dem Zug nachgereist und wir treffen uns in der Innenstadt. Haben noch viel Zeit und gehen Essen. Restaurant extrem hipstermäßig, vegan. Englische Karte. Publikum normal Rumänisch. Parken vor der Venue, Hinterhof mit angrenzender Autowerkstatt. Die Venue ist eine kleine Lagerhalle mit eingebauter Bar. Der Veranstalter räumt stoisch zwei Stunden auf. „Vorband“ ist eine lokale Impro-Noise Band. Erinnerte mich an die Band meines Vaters. „Die Gehirne“ aus Karl-Marx-Stadt. Unsere Show ist explosiv. So muss das sein. Guter Sound (laut) und viel Bewegung. Übernachtung in einer Wohnung in einem typisch rumänischem Neubaublock, aber völlig in Ordnung. Aike schläft im Bus auf ausgebombten Parkplatz.


19.04. Bucharest (RO)

Wir wollen losfahren, Aike fällt ein, er will jetzt Duschen. Berechtigterweise kommt es zum Streit. Lange Fahrt vor uns. Ich weiß nicht wie oft wir diese Straßen durch Rumänien schon gefahren sind. Ich fühle nichts Fremdes. Der Schwarzwald ist für mich exotischer, da war ich noch nie. Bukarest ist erneut eindrucksvoll, riesig, vollgestopft. Venue ist ein kommerzieller Club. Wir essen im Restaurant, bauen auf, Show wird gefilmt. Alles hochprofessionell. Für uns ist das natürlich auch nett. Aber wir gewöhnen uns besser nicht dran. Die Show läuft für mich fehlerfrei. Nur die Bühne ist so hoch, dass man einen Fall vermutlich nicht so einfach überleben würde. Übernachten in einer frisch renovierten, sonst leeren Wohnung in einem rumänischen Wohnblock. Unsere Gastgeberin zeigt uns auf ihrem Laptop das Video unseres kompletten Sets eben. Wir gucken es höflich an, so richtig Lust hat aber keiner. Aber sie ist stolz drauf und es ist gut gemacht. Und, wer hätte das gedacht, die Show lief für mich doch nicht fehlerfrei. Entscheidung fiel durch Videobeweis.


20.04. Cluj-Napoca (RO)

Vom Südosten Rumäniens geht es in den Nordwesten. Letzter Stopp vor Berlin: Cluj-Napoca. Sieben Stunden Fahrt. Cluj noch moderner, noch hipstermäßiger als die letzten Male. Und, wie vor ein paar Jahren in Cluj, müssen wir wieder mit dem Ausladen warten, bis das LGBT+ Filmfestival vorbei ist. Show ist im Keller eines großen Veranstaltungsorts. Viele Freunde und Bekannte sind da. Die Show ist die beste der Tour. Beim Einräumen schleppen wir die komplette Backline durch eine Party, die sich in der Zwischenzeit im großen Partyraum gebildet hat. Wir würden gern bleiben, aber die Zeit ist knapp. Wir fahren zur „Katzenwohnung“. Die Wohnung gehört unser Freundin Alec und ihrem Bruder Mishu. Inzwischen gehört sie den Katzen, die da drin wohnen. Wir schlafen immer in der Wohnung wenn wir in Cluj sind, und das sind wir häufig. Bianca fliegt morgen früh zurück nach Berlin. Micha fährt sie noch Nachts um zwei zum Flughafen, dort schlafen sie 2 Stunden im Bus. 5Uhr ist Micha zurück und weckt uns. Cluj-Napoca → Berlin, ein UAS-Klassiker. Hin oder zurück. Egal. Die Sonne geht auf und wir rasen über rumänische Landstraßen. Oradea, Grenzübergang nach Ungarn, vorbei an Debrecen auf die Autobahn nach Budapest. Die Umfahrung Budapests ist immer ein Abfuck, aber dieses Mal haben wir Glück. Kein Stau, kein Verfahren. An Gyor vorbei Richtung Wien. Kurz vor Wien geht es Richtung Norden. Grenze in die Slowakei, wir lassen Bratislava rechts liegen, fast Prag. Prag ist fast Dresden und Dresden ist quasi Berlin. Micha lassen wir in hinter Dresden raus, zu dritt geht es weiter nach Berlin Marzahn. Ausladen, Bett.


Text: Johnny Beat
Fotos: Lysztof Storno


Schaut euch unser Urlaubsvideo an: